Studium im Fach Zentralbankwesen
Spekulationsgeschäfte, hohes Risiko, das schnelle Geld – manch einen, der seine Karriere bei einer Bank startet, locken womöglich diese Reize. Doch damit all das nicht aus dem Ruder läuft, sind ganz andere Banker gefragt – solche wie Timo Schumacher. Der 21-Jährige studiert bei der Deutschen Bundesbank das Fach Zentralbankwesen. Statt horrenden Bonuszahlungen nachzujagen, genießt er die Sicherheit eines Beamten, bekommt tiefe Einblicke in das Finanzsystem und lernt die Welt des Geldes von der Pike auf kennen.
Noch vor wenigen Jahren hätte Timo vermutlich nicht schlecht gestaunt, wenn er von seinem heutigen Werdegang gewusst hätte. „Wirtschaftswissenschaften haben mich zwar schon in der Schule interessiert“, räumt der gebürtige Leverkusener ein, der vor drei Jahren in der mecklenburgischen Kreisstadt Neubrandenburg sein Abitur gemacht hat. Sein ursprünglicher Berufswunsch sei aber Pilot gewesen: „Das wollte ich schon als kleiner Junge, und es ist bis zur Oberstufe dabei geblieben.“
Doch ein gutes Jahr vor dem Schulabschluss platzte sein Traum. Der Grund: Die Lufthansa – Timos bevorzugte Fluglinie – bot für seinen Jahrgang für Piloten keine Ausbildungsplätze an. Da habe er sich umorientiert, erklärt er. In der Anzeige eines Abiturientenmagazins habe er das Duale Studium der Bundesbank entdeckt: „Das war 2014 in der ABIQ. Das habe ich dann auch als Referenz in meiner Bewerbung angegeben.“
Er informierte sich über das Studium und bewarb sich. Weshalb er sich für diesen Weg entschieden hat? „Auf eine normale Uni zu gehen kam für mich nicht in Frage. Ich wollte schnell Praxiserfahrungen sammeln und Geld verdienen“, erklärt Timo. Im Herbst 2014 habe er online seine Bewerbungsunterlagen eingereicht: Anschreiben, Lebenslauf und die letzten beiden Schulzeugnisse. Dann hieß es erst einmal: warten. Bis die Bundesbank ihn zum Einstellungstest eingeladen habe, seien einige Monate vergangen. Davon dürfe man sich aber nicht verunsichern lassen. „Das dauert ein bisschen, wir sind eben eine Behörde“, sagt Timo mit einem Schmunzeln.
Tests und Assessment-Center
Nutzen kann man diese Zeit zum Beispiel, um sich schon einmal auf den Einstellungstest der Bank vorzubereiten. In der ersten Stufe werde Mathematik, Englisch und logisches Denken abgefragt, berichtet Timo. Wichtig sei auch, dass sich der Bewerber im Vorfeld fundiert über die Bundesbank informiert habe und zum Beispiel die Zuständigkeitsbereiche und Aufgaben der Institution kenne: „Es gab schon Kandidaten, die uns mit einer Geschäftsbank wie der Deutschen Bank verwechselt haben. Das ist natürlich ein Fauxpas.“ Künftigen Bewerbern rät Timo deshalb, gründlich im Internet zu recherchieren, um sich das nötige Wissen über ihren möglichen neuen Arbeitgeber anzueignen.
In der zweiten Runde werde in einem Assessment- Center unter anderem das Gruppenverhalten beobachtet. Er selbst habe im Rahmen seines Einstellungsverfahrens mit den anderen Teilnehmern über ein vorgegebenes Thema diskutiert. Außerdem müssten die Bewerber einen Aufsatz schreiben, beispielsweise zu aktuellen politischen Geschehnissen wie etwa dem Dieselskandal.
Am schwersten sei ihm der letzte Teil des Assessment- Centers gefallen, bei dem die Kandidaten zu einem persönlichen Gespräch eingeladen werden: „Da sitzen dann in der Regel vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen der Bundesbank, schauen einen an, und verziehen keine Miene. Das war ein seltsames Gefühl.“ Jedoch dürfe man sich dadurch nicht irritieren lassen. „Diese distanzierte Haltung der Prüfer, die eine gewisse Anonymität schafft, hat nichts mit einem persönlich zu tun, das ist so vorgegeben und bei allen Bewerbern so“, erklärt er.
Familiär und anspruchsvoll
Im Studium indes sei diese Anonymität passé. An der Hochschule der Bundesbank in Hachenburg, einer rund 6.000 Einwohner zählenden Kleinstadt im Westerwald zwischen Frankfurt am Main und Köln, sei die Atmosphäre sehr familiär, betont Timo. Die Teilnehmerzahl der Kurse liege in den Hauptfächern bei bis zu 30 Studenten, in den Nebenfächern oft noch weit darunter. Es gebe nur 17 hauptamtliche Dozenten, und alle Erstsemester bekämen einen persönlichen Tutor, der sie unterstütze: „Ich habe mich von Anfang an gut aufgehoben gefühlt.“ Für Struktur sorgen außerdem feste Sitzordnungen und Namensschilder. Abwechslung schaffen wöchentlich wechselnde Vorlesungspläne.
Inhaltlich sei das Studium durchaus anspruchsvoll. Wer sich für Wirtschaftswissenschaften und Mathematik begeistern könne, sei in Hachenburg aber auf jeden Fall richtig. Gefordert seien außerdem Englischkenntnisse. Für einige Themen gebe es nämlich nur englische Fachliteratur: „Da sind dann auch gleich die Kurse auf Englisch.“ Grundsätzlich sei dafür aber Schulniveau ausreichend: „Einen Auslandsaufenthalt braucht man nicht unbedingt.“ Zudem biete die Bundesbank ihren Studenten bei Bedarf kostenlosen, freiwilligen Englischunterricht an.
Im Grundstudium lernen die Studenten unter anderem Methoden und Techniken zur Aneignung von akademischem Wissen, den Umgang mit Softwareprogrammen wie Excel, Grundlagen der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre und juristisches Basiswissen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Handelsgesetzbuch (HGB) und dem Grundgesetz. Die Prüfungen finden zu Beginn des Studiums meist als Klausuren statt. „Vor allem Recht ist für mich ein bisschen ein böses Fach, da muss man schon mal eine Klausur nachschreiben“, sagt Timo und lacht. Zudem sei nur ein Zweitversuch möglich: „Das macht natürlich ein bisschen Druck.“ Im späteren Verlauf des Studiums gebe es statt Klausuren dann jedoch vermehrt Seminararbeiten und Präsentationen sowie die Möglichkeit, sich zu spezialisieren und bestimmte Fächer abzuwählen: „Wer das Grundstudium geschafft hat, besteht in der Regel auch seinen Abschluss.“